Was ist „Dragons conquer America“?

In diesem Beitrag werde ich einen Einblick in ein eher ungewöhnliches Setting geben: Taucht ein in die Kultur der Maya und Inca oder erobert als europäischer Drachenreiter ihre Städte.

Worum geht es?

Im frühen 16. Jahrhundert sieht die Welt etwas anders aus, als wir sie kennen. Die Europäer haben lange Zeit Krieg gegen die Drachen geführt, bis die großen Echsen von einer Frau zum Christentum bekehrt wurden. Seitdem gibt es Armeen mit weiblichen Drachenreitern, während die wilden, nicht christianisierten Drachen langsam ausgerottet wurden. Der Drang nach Eroberung treibt nun die spanischen Flotten nach Westen in die Neue Welt.

Dort herrschen die Mayaab (Maya) und Mexica über brüchige Großreiche. Ihre Städte stehen unter dem Schutz von riesigen, gefiederten Schlangendrachen, welche Magie beherrschen und zwischen den Welten der Lebenden und der Geister wandeln können. Einst herrschten sie selbst, später ihre Halbdrachen-Kinder. Doch auch deren Blut wird immer menschlicher und so gibt es kaum noch welche, die noch die Eigenschaften von Halbdrachen besitzen. Eine Herrscherin ging sogar soweit, den Drachen abzuschwören und die Seelen aller Mexica der Unterwelt zu weihen, im Austausch für den Schutz durch die dort lebenden Geister. Mit dem Tod der Herrscherin sahen sich jedoch längst nicht mehr alle Geister zu dem Schwur verpflichtet und so droht eine Invasion in die Welt der Lebenden.

Wie wird gespielt?

Benutzt werden wahlweise Karten oder Würfel. Bei den Karten kann man entweder ein spielspezifisches Deck erwerben oder ein gewöhnliches Pokerdeck benutzen. Von letzterem braucht man lediglich die Asse, Zahlen 2-6 und einen Joker. Die Kartensymbole entsprechen dabei jeweils einem aus dem Spiel: Conflict, Divine, Exploration und Social. Wie viele Karten man ziehen kann, hängt vom Alter des Charakters ab und zeigt somit an, wie fit und ausdauernd dieser noch ist.

Benutzt man stattdessen Würfel, benötigt man sehr viele W6: Jeweils 6 in einer Farbe, um Conflict, Social, Exploration und Divine darzustellen und einen für den Joker. Die Würfel werden – ohne hinzusehen! – aus einem Würfelbeutel gezogen. Immer, wenn man eine Karte spielen würde, wird ein entsprechender Würfel gewürfelt und anschließend in den Würfelbeutel zurückgelegt.

Karten bzw. Würfel können erst nach jeder Szene neu aufgefüllt werden. Nur manchmal gibt es besondere Events, die die SC während einer laufenden Szene neue Karten ziehen lassen. Das geschieht beispielsweise, wenn man ein zur Situation passendes Symbol spielt (Social beim Lügen, Conflict im Kampf, etc.).

Legt man eine Probe ab und das Ergebnis liegt mindestens 6 Punkte über der Schwierigkeit der Probe oder wenn man zusätzlich seinen Joker ausspielt, gibt es positive Konsequenzen. Man richtet beispielsweise mehr Schaden an, entwaffnet den Gegner, etc. Liegt man dagegen nur 2 Punkte oder weniger über der Schwierigkeit oder der Gegner spielt einen Joker aus, gibt es negative Konsequenzen. Hierbei richtet man beispielsweise nur halben Schaden an oder die eigene Lüge fliegt auf.

Kritikpunkte

Es fehlt definitiv ein Begriffs- oder Namensverzeichnis, fertigt euch daher idealerweise selbst eines an, oder ihr kommt sehr schnell durcheinander. Viele Wörter der Ureinwohner klingen sehr ähnlich und es kommen so viele Namen und Bezeichnungen vor, dass man schnell vergisst, wer nun wer war.

Dazu kommt das Problem, dass man irgendwann den Überblick darüber verliert, welche Person und Stadt zu welchem Reich gehört: Anahuac (Azteken/Mexica), Mayaab (Maya), Inca oder Unabhängige? Die genannten Reiche werden außerdem mehr als detailliert beschrieben. Jedes hat eine umfassende Beschreibung von Riten und Städten, was an sich gut ist, immerhin handelt es sich um ein sehr exotisches Setting, in dem sich nicht jeder auskennt. Allerdings wurde hier übertrieben und der Detailgrad ist überfordernd. Besser wäre gewesen, man hätte pro Reich maximal zwei wichtige Städte beschrieben, um Unterschiede aufzuzeigen. Oder man hätte sich auf die größten Nationen beschränken können. Manchmal ist weniger einfach mehr.

Mit über 400 Seiten ist das Regelwerk außerdem sehr schwer und unhandlich. Hier hätte man beispielsweise bei den fast 100 Seiten über südamerikanische Stämme und Nationen einige herauskürzen können. Auch die Informationen über die Geisterwelt hätte man etwas zusammenschrumpfen können. Sie wird in mehreren Kapiteln immer wieder angesprochen und die Informationen werden dann in einem eigenen Kapitel noch einmal aufgerollt – und trotzdem ist man nicht wirklich klüger als vorher.

Fazit

Eine wirklich gute Idee, ein ungewöhnliches Setting, leider lässt die Umsetzung zu wünschen übrig. Rechtschreibfehler, ein fehlendes Begriffsverzeichnis und viel zu viele Einzelinformationen machen das Leseerlebnis zu einer Anstrengung werden.

Die Wahlmöglichkeit zwischen Karten und Würfeln ist zwar nett, ist aber definitiv nicht gleichwertig, da die Kartenzahlen vorgegeben sind während Würfel immer dieselbe Chance auf jede Zahl haben. Durch die Charaktererschaffung ist nur schwer durchzusteigen, es gibt keine Kurzübersicht über die verschiedenen Möglichkeiten (Oneshot und Kampagne haben unterschiedliche Regeln).

Die Artworks sind wunderschön. Schade ist nur, dass es kaum Bilder gibt, die zum Text passen und viele Gegner einfach kein Bild haben, aber auch keine gute Textbeschreibung. Von den vielen Drachen, die als Gründer der verschiedenen Kulturen gelten, gibt es ebenfalls keine Bilder, es wird stets derselbe Drache gezeigt. Hier wurde ebenfalls viel Potential verschenkt.

Alles in allem ein toller Ansatz, leider wurde er nicht gut umgesetzt. Eine deutliche Kürzung, ein Wörterverzeichnis und ein oder zwei kurze Oneshots als Beispiele, was und vor allem WIE gespielt werden kann (wann endet eine Szene, wie viele Szenen sollten genutzt werden, …) hätten Dragons Conquer America wirklich gutgetan.

Eine überarbeitete Fassung wird es allerdings wohl niemals geben, da der Publisher nach diesem Projekt nicht mehr existieren wird.

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